Wir wollen die Straße mit Gedanken, Gesprächen und Gemeinschaft beleben.
René Reinhardt
Im April 2015 führten wir ein Gespräch mit René Reinhardt, dem künstlerischen Leiter und Geschäftsführer der Schaubühne Lindenfels. Es ging um das Engagement für den Leipziger Westen mit Kulturmeile und sozialen Projekten und deren Herausforderungen und Entwicklungen.
Die Schaubühne Lindenfels war von Anfang an nicht nur eine Bühne, sondern auch ein Mitgestalterin des Ortes. Sie zielte darauf ab, das umliegende Viertel durch kulturelle Angebote zu beleben und zu bereichern.
Trotz finanzieller und organisatorischer Herausforderungen, einschließlich der Insolvenz ihres Vermieters, hat sich das Team entschlossen, das Gebäude zu kaufen und die Schaubühne weiterzuführen. Sie entwickelten das Konzept einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft, um die Finanzierung und den Betrieb des Hauses zu sichern.
Neben dem Theaterbetrieb engagiert sich die Schaubühne in verschiedenen kulturellen und sozialen Projekten, wie der Organisation von Straßenfesten und der Unterstützung von Flüchtlingen. Sie strebt danach, den Stadtteil kreativ und vielfältig mitzugestalten und neue Impulse zu setzen.
Jetzt, knapp zehn Jahre später trafen wir uns erneut mit René Reinhard und sprachen über die Entwicklung, welche die Schaubühne und das Viertel seitdem vollzogen hat.
Unser Artikel hatte damals die Überschrift »Die Straße schrie danach belebt zu werden«. Wonach schreit sie Ende 2023?
Nach Intervention friedlicher Art. Das muss weitergehen. Hiermit knüpfen wir an das an, was vor 30 Jahren, als wir hierher kamen, notwendig schien – nämlich etwas zu verändern. Damals kämpften wir gegen die Depression und Leere, und heute steht die Herausforderung, die Situation zu ändern, um zu verhindern, dass alles bleibt, wie es ist.
Es geht nicht nur darum, eine bloße Gastronomiemeile zu vermeiden, sondern die Straße mit Gedanken, Gesprächen und Gemeinschaft zu beleben. Mit Initiativen wie Bohei und TamTam und den Lichtspielen des Westens. Diese Projekte zielen nicht darauf ab, etwas zu verkaufen oder ein Kulturevent zu inszenieren, sondern Anwohner können ein Zeichen setzen, indem sie ihre Fenster kreativ gestalten. Es geht darum, dass die Anwohner erkennen, dass sie Präsenz zeigen und gemeinsam etwas bewirken können, wie zum Beispiel als es darum ging, den Umbau des Felsenkellers in einen großen Supermarkt zu verhindern.
Es ist wichtig, dass wir über Demonstrationen hinausgehen und echte Initiativen ergreifen, um positive Veränderungen im Viertel zu bewirken und Raum für Neues zu schaffen. In diesem Prozess können auch die Eigentumsverhältnisse an Immobilien hinterfragt und neue, gemeinschaftliche Wege des Zusammenlebens erprobt werden.
Diese Bemühungen zeigen, dass es möglich ist, das Viertel aktiv mitzugestalten und es nicht nur einzelne Geschäfte oder Immobilienbesitzer sind, die die Entwicklung bestimmen. Wir sollten optimistisch sein und offen für die Integration neuer Ideen und Menschen, wie das Beispiel der Menschen aus der Ukraine zeigt. Es geht darum, ein lebendiges, vielfältiges Viertel zu schaffen, in dem Raum für Neues ist.
Leipzig hat sich seit den 1990er Jahren verändert und ist weltoffener geworden.
Eine schöne Pointe war auch eure Idee die Schaubühne auf einen Tieflader zu schieben, und dann nach Berlin umzuziehen.
Ja, die Idee, die Schaubühne auf einen Tieflader zu laden und nach Berlin zu bringen, ist lange her, aus den 1990er-Jahren. Damals war der Weg manchmal mühseliger als erhofft, vielleicht auch mühseliger als nötig.
Aber Leipzig hat sich seitdem verändert, ist weltoffener geworden. Diese positive Veränderung in Sachen Offenheit ist spürbar, und deshalb war es irgendwann nicht mehr nötig, in eine größere Metropole umzuziehen. Stattdessen haben wir hier angefangen, die Metropole positiv mitzugestalten. Viele Leute kamen nach Leipzig, also haben wir uns das Benzin gespart.
Wir sind alle nur Gäste in der Stadt, egal ob in Berlin oder Leipzig. Indem wir uns als Gäste fühlen, können wir diesen Ort gastlich gestalten.
Wir haben damals sehr viel über die Bedürfnisse und Erwartungen der Bewohner gesprochen. Inwieweit haben sich eure Erwartungen auf die Stadtentwicklung verändert?
Unsere Perspektive auf das Viertel ist vielfältiger geworden, im Vergleich zu einer Zeit, als hier das große Nichts herrschte und Anwohner selten waren. Damals blieben nur diejenigen, die scheinbar keine Optionen hatten, woanders hinzugehen. Heute ist es komplexer, es gibt wieder Bewohner, Gewerbetreibende und keine einheitliche Gruppe. Es gibt ja auch nicht den Plagwitzer oder die Plagwitzerin und den Lindenauer oder die Lindenauerin, was auch immer das sein würde. Das klingt wie so ein Fabelwesen, was man ausgraben kann als Skelett. Es ist natürlich etwas Lebendiges.
Wir sind alle nur Gäste in der Stadt, egal ob in Berlin oder Leipzig. Indem wir uns als Gäste fühlen, können wir diesen Ort gastlich gestalten. Es geht darum, Raum zu teilen, in einem fortlaufenden Aushandlungsprozess. Die Stadtentwicklung ist nie abgeschlossen; es gibt keinen Status Quo für eine Stadt. Wir müssen alle, die wir hier leben, auf Veränderungen reagieren.
Bleiberecht ist ein guter Ansatz, um Regeln für das Zusammenleben auszuhandeln. Wir wollen in diesem Prozess mitreden und mitentscheiden. Wir haben hier in Leipzig viele Chancen, uns gegenseitig zu sehen und nicht in soziologische oder technische Zielgruppen aufzuteilen. Wir sind Menschen, die diesen Raum teilen.
Wir möchten auch gern über das Memorial am Felsenkeller sprechen. Wie genau kam es dazu an dieser Stelle?
Diese Kreuzung ist ja nicht irgendeine Kreuzung für dieses Quartier, diese Kreuzung ist das Eingangstor in den Bereich, den wir heute Boulevard Heine nennen. Das heißt in das Viertel, das heute von Kultur, von Szene, von Bewegung und von Lebendigkeit geprägt ist. Der Abschnitt davor, wo größere Villen stehen, wenn man den Hügel hinab schaut, das war früher der Ort, wo die Fabrikanten gewohnt haben.
Man wundert sich vielleicht, denn sonst ist es oft so, dass die Fabrikanten ganz draußen am Stadtrand wohnten. Aber in diesem Falle war das der Stadtrand. Denn der kleine Fluss, der heute von einer Brücke überquert wird, der war damals ohne Brücke.
Die Industriellen haben sich also an den damals grünen Stadtrand gesetzt und dahinter dann angefangen das Industrieviertel aufzubauen. Die Kreuzung ist also der Anfang von dem ehemaligen Industriequartier, einer Vision folgend, der Urbanisierung durch Industrie auf den vormaligen Auen und Feldern. Und die Kreuzung war quasi der Punkt, wo eigentlich ein Stadttor stehen könnte.
Der Felsenkeller ist ein historisches Beispiel dafür, wie bereits damals die Bedeutung von Unterhaltung und sozialem Leben neben der Arbeit verstanden wurde. Mit der Ansiedlung vieler Arbeiter, die in unmittelbarer Nähe ihrer Arbeitsstätten wohnten – charakteristisch für die Quartiere mit ihren Mietskasernen direkt neben den Fabriken – entstand das Bedürfnis nach Orten der Unterhaltung. In dieser Zeit wurden Ballsäle errichtet, von denen der Felsenkeller das größte Etablissement war.
Auch die Schaubühne, eine kleinere und etwas ältere Einrichtung, ist ein Überbleibsel dieser Epoche und wird bis heute kulturell genutzt. Gegenüber dem Felsenkeller entstand später ein prächtiges, bürgerliches Haus, kein typisches Mietshaus, sondern eher für die Mittelschicht konzipiert. Die besondere Gestaltung dieses Hauses war teilweise durch die Konkurrenz zum Felsenkeller motiviert, um etwas Repräsentatives zu schaffen.
Nun ist dieses Haus aber nicht mehr da, während die angrenzenden Häuser weitestgehend erhalten sind. Dieses Haus ist aber nicht im zweiten Weltkrieg durch eine Bombe zerstört worden, sondern es ist erst Anfang dieses Jahrhunderts abgerissen worden.
Nach der Wende wurde das besagte Haus einer Wohnungsbaugesellschaft aus Leipzig durch die Treuhand zugeschrieben, obwohl die genaue Eigentümerschaft unklar war. Über einen Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren zog sich die Frage hin, ob und wie das Gebäude saniert oder renoviert werden könnte. Da keine Eigentümer gefunden wurden und das Haus zunehmend verfiel, entschied sich die Wohnungsbaugesellschaft, die sich eigentlich auf den Sozialwohnungsbau konzentrierte, für den Abriss des Gebäudes.
Unsere Rolle begann kurz nach 2005, als wir mit einem großen Straßenfest, das Kunst und Trödelmarkt umfasste, versuchten, das Quartier wiederzubeleben. Bis dahin war die Präsenz der Schaubühne, die bereits seit zwölf Jahren existierte, noch nicht so sichtbar in der Nachbarschaft. Doch mit diesem Straßenfest gelang es uns endlich, die Aufmerksamkeit auf das Viertel zu lenken.
Am Felsenkeller begann dann sozusagen die Entstehung des Fest-Boulevards. Das abgerissene Haus markierte einen Wendepunkt: Der Abriss erfolgte plötzlich und ohne vorherige Information der Öffentlichkeit im Frühjahr, was für viele überraschend kam, als die Abrissbirne dort auftauchte.
Dieser Platz hat eine besondere Bedeutung, die über das hinausgeht, was man zunächst annehmen könnte, und erzählt eine Geschichte, die weit in die Vergangenheit reicht.
Die Entscheidung, das alte Haus an dieser wichtigen Kreuzung abzureißen, wirkte wie eine ad-hoc-Maßnahme. Die genauen Gründe dahinter bleiben unklar – vielleicht gab es strukturelle Probleme oder andere Gründe, die eine schnelle Handlung erforderten und die man nicht öffentlich machen wollte. Die Kreuzung ist ein zentraler Punkt in der Stadt, vor allem da dort zwei Straßenbahnlinien verlaufen, sodass der Abriss nicht unbemerkt bleiben konnte.
Schnell sammelten sich die Menschen und fragten sich, warum dieses alte Haus abgerissen wird. Obwohl der Abriss bereits fortgeschritten war und das Gebäude schon teilweise in Trümmern lag, konnten wir, die Schaubühne und andere aus dem Quartier, eingreifen. Wir erreichten bei der Wohnungsbaugesellschaft einen Baustopp. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings nur noch die Säulen des Hauses am Rand erkennbar, die erhalten blieben und auch für die Zukunft bewahrt werden sollen.
In der Folge wurde auch verhandelt, dass der entstehende Platz nicht mit einem typischen Gitterzaun abgesperrt wird. So entstand ein zumindest teilweise öffentlicher Raum mit Wegen und einigen Bänken. Zwar wird es kein außergewöhnlich schöner Platz sein, aber immerhin bleibt etwas erhalten. Dieser Platz hat zudem eine besondere Bedeutung, die über das hinausgeht, was man zunächst annehmen könnte, und erzählt eine Geschichte, die weit in die Vergangenheit reicht.
Die Verortung eines Ortes, an dem wir arbeiten und Kultur schaffen, wie in unserem Fall die Kunst, hängt stark vom umgebenden Umfeld ab. Von Anfang an war es uns wichtig, uns mit dem Quartier auseinanderzusetzen. Dabei stellte sich natürlich auch die Frage, was in diesem Quartier während und nach dem Zweiten Weltkrieg geschehen ist – eine relevante Fragestellung in der deutschen Kunst- und Kulturlandschaft.
Ein Aspekt dieser Auseinandersetzung betrifft das jüdische Eigentum, einschließlich unseres eigenen Gebäudes. Frühere Eigentümer wie beispielsweise Morgenstern werfen Fragen auf, die es zu klären gilt. Heute erinnern Stolpersteine in unserer Straße an die Menschen jüdischer Herkunft, die hier lebten. Diese Gedenksteine vor den Häusern, nicht nur Kaufhäusern, sondern auch ganz normalen Mietshäusern, werden gepflegt und sind ein gutes Zeichen für das Bewusstsein und die Erinnerung an die Geschichte.
Andere historische Erinnerungen in unserem Quartier beziehen sich auf die Napoleonischen Kriege, markiert durch Gedenksteine. Diese Erinnerungs- und Gedenkorte sind prägend für die Stadt und helfen, das Vergessen zu vermeiden.
Ein weiteres wichtiges historisches Ereignis ist die Befreiung Leipzigs. In der DDR-Zeit wurde nicht stark betont, dass die amerikanischen Truppen Leipzig befreit haben. Die Befreiung selbst war ein komplexer Prozess, der mit Kämpfen verbunden war, insbesondere am Völkerschlachtdenkmal. Auch der Volkssturm, bestehend aus Männern und Kindern, war involviert, um die amerikanischen Truppen abzuwehren. Interessanterweise kamen die amerikanischen Truppen auch aus Richtung Weißenfels in den Westen der Stadt, um ins Zentrum vorzurücken, was für unser Quartier historisch relevant ist.
Am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig fanden einige der heftigsten Kämpfe statt, da dort Idioten bis zuletzt glaubten, sich einen sinnlosen Endkampf widmen zu müssen. In der Stadt wurde der Volkssturm, bestehend aus Männern und Kindern, eingesetzt, um die amerikanischen Truppen abzuwehren. Die amerikanischen Truppen näherten sich dem Zentrum von Leipzig aus dem Westen, und in diesem Quartier gab es in diesem Zusammenhang mehrere Todesfälle.
Heute erinnert das Capa-Haus an einen berühmten amerikanischen Soldaten, der in diesem Gebiet gefallen ist. Besonders bekannt ist ein Foto, das den Moment festhält, in dem ein deutscher Scharfschütze einen amerikanischen Soldaten auf einem Balkon erschießt.
Ein ähnlicher Vorgang fand in der Nähe dieser Kreuzung mit dem Abschuss eines Panzers statt. Die genauen Umstände des Geschehens am 18. April 1945 sind schwer zu rekonstruieren. Ein vorausfahrender Panzer wurde von der Seite getroffen, und dabei kamen alle fünf amerikanischen Soldaten im Panzer ums Leben.
Dieser tragische Vorfall zeigt die Schrecken des Krieges in einem Stadtteil, der ansonsten weitgehend friedlich von amerikanischen Truppen eingenommen wurde. Zwei Hitlerjungen waren wahrscheinlich für den Abschuss verantwortlich. Der Felsenkeller selbst trug Spuren des Krieges; ein Fenster war komplett zerschossen, da von dort aus auf den Panzer gefeuert wurde. Der Schuss traf eine verwundbare Stelle des Panzers und verursachte ein Inferno, das das Leben von fünf jungen Amerikanern kostete. Dieses tragische Ereignis bleibt ein Teil der Geschichte dieses Ortes.
Die Namen der gefallenen amerikanischen Soldaten sind heute auf einer Stahlplatte verewigt, die an das Gebäude erinnert, welches einst an dieser Stelle stand. Die Stahlplatte ist einem Rollladen nachempfunden, der Teil des letzten dort existierenden Fotogeschäfts war, genau aus der Ecke des Erdgeschosses. Hätte der Panzer nicht davor gestanden, wäre das Geschäft und damit vielleicht auch das Haus abgebrannt.
Diese Rakete zog eine imaginäre Linie bis zu dem Haus, das viele Jahre nach dem Krieg, im Jahr 2004 letztendlich doch noch einstürzte, abgerissen wurde. Wäre der Panzer nicht in Bewegung gewesen, wäre er wahrscheinlich nicht beschossen worden. Die Linie, der das Geschoss gefolgt wäre, hätte genau in das Fotogeschäft eingeschlagen.
Das auf der Stahlplatte dargestellte Einschussloch ist nicht größer als ein Tennisball. Diese präzise deutsche Technik durchschlug den Stahl und entfaltete ihre zerstörerische Wirkung erst im Inneren. Diese Platte dient als Erinnerung an das tragische Geschehen und die technische Präzision, die zu solch verheerenden Folgen führte.
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, was manipulative Systeme mit Menschen anrichten können.
Das kleine Loch in der Wand des Panzers, sichtbar auf Fotos, hat genau die Größe des auf der Stahlplatte dargestellten Einschusslochs. Dieser Moment unterstreicht die Bedeutung, Zeitgeschichte erfahrbar zu machen. Während man in der Schule oder in Büchern über historische Ereignisse lesen kann, ermöglicht die direkte Erfahrung an solchen Orten ein tieferes Verständnis dafür, was tatsächlich passiert ist. In diesem speziellen Fall erinnert die Stahlplatte daran, dass an dieser Stelle fünf Menschen starben, möglicherweise auch zwei Hitlerjungen, deren Schicksal bis heute nicht vollständig geklärt ist.
Es ist ungewiss, ob die amerikanischen Truppen die Jugendlichen gefasst haben und unter welchen Umständen. Die Stahlplatte weist auch auf die Manipulation hin, die während der NS-Zeit stattfand. Während die SS nur 80 Meter entfernt in ihrem Folterkeller, dem heutigen Bundesverwaltungsgericht, tätig war, wurden diese jungen Menschen aufgehetzt, die amerikanischen Truppen aufzuhalten, oft ohne das volle Bewusstsein der möglichen Folgen.
Das Erinnern an solche Ereignisse, besonders in einer Zeit, in der wir eine Kulturmeile feiern sollten, ist wichtig. Es dient als Mahnung, wie Systeme Menschen manipulieren können und unterstreicht die Bedeutung von Kultur und Erinnerungskultur in der heutigen Gesellschaft.
In unserem letzten Gespräch im Jahr 2015 haben wir über den Westbesuch als eine nach außen gerichtete Intervention gesprochen, um Stadtentwicklung ohne Stadtverwaltung voranzutreiben. An welchen Interventionen arbeitet ihr heute?
In den 90ern gab es eine Art blinden Fleck, eine Terra inkognita, in der man aktiv wurde, um Veränderungen herbeizuführen, wie das Besetzen und Wiederbeleben von Häusern. Dieser Prozess ist nicht endlos fortsetzbar. Trotzdem ist noch Raum für Interventionen und Initiativen vorhanden, die sich auf andere Bereiche verlagern.
Wichtig ist, das Entstandene zu reflektieren und zu verbessern. Die Lichtspiele des Westens sind ein Beispiel dafür, wo Menschen sich kreativ zeigen. Das Ziel ist, solche Momente als gemeinschaftliche Ereignisse zu etablieren, wo sich alle auf der Straße treffen. Daneben gibt es die Vision, brachliegende Flächen kulturell zu nutzen, etwa für ein Probenzentrum, das künstlerischen Austausch ermöglicht.
Diese Vision würde dem Viertel guttun, wenn sie verwirklicht wird. Aktuell mangelt es an Probenraum für Künstler, Tänzer, Theaterleute, Performer und Bildende Künstler. Die Schaffung eines solchen Ortes würde die Straße jenseits des reinen Konsums neu beleben. Diese Vision wollen wir an einem zentralen Ort umsetzen, was auch die Erinnerung an die Industriegeschichte und soziale Geschichte aufrechterhält. Wir möchten einen Erinnerungspfad schaffen, der verschiedene Aspekte aufgreift, einschließlich Krieg, Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Es wäre interessant, durch die Zeit zu reisen und wäre auch für Touristen attraktiv.
*Dieses Wort ist inklusiv. Alle Geschlechter sind gemeint.
Info
René Reinhardt ist Gründer, Vorstand und künstlerischer Leiter der Schaubühne Lindenfels. Er studierte Schauspiel an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin.Credits
- Das Interview führte Petra Mattheis
- Fotos von Regentaucher