Christopher Mann ist gelernter Landwirt und Imker.

Die Pflanzenvielfalt ist in der Stadt größer als auf dem Land.

Christopher Mann

Die Bienenstöcke im Clara-Zetkin-Park sind uns schon vor ein paar Jahren aufgefallen. Den wunderbaren Honig, den die Bienen dort sammeln, essen wir auch schon seit ein paar Jahren.

Wir haben uns aufgemacht, den Imker Christopher Mann kennenzulernen. Auf den Fototermin mit den Bienen haben wir uns sehr gefreut und auch ihre Stiche hielten uns nicht davon ab, sie genau unter die Linse zu nehmen.

Bienenstöcke von Christopher Mann im Leipziger Clara-Zetkin-Park.
Im Leipziger Clara-Zetkin-Park stehen mehrere Bienenstöcke von Christopher Mann.
Ein Absperrband dient als Hinweis auf die Bienenstöcke.
Ein Absperrband dient als Hinweis dafür, nicht zu nahe an die Stände zu gehen und die Bienen zu stören.
Christopher Mann bei der Arbeit im Clara-Zetkin-park in Leipzig.
Vor Kurzem hat Christopher in einen Kran investiert, der die Arbeit mit den Bienen sehr erleichtert. Zuvor hat er jährlich über 100 Tonnen aus eigener Kraft bewegt.

Wie lange bist du schon in Leipzig?
Acht Jahre.

Bist du gleich im Westen gelandet?
Ja, ich bewege mich auch größtenteils nur im Westen. Das ist das, was Leipzig für mich ist.

Hatte das einen speziellen Grund? Oder war das Zufall?
Wir sind schon gezielt nach Leipzig gezogen, aber das es der Westen wurde, war Zufall. Ich bin auf dem Land groß geworden und habe auch immer nur auf dem Land gelebt. Ich bin ja Landwirt. Und als das erste Kind kam, sind wir nach Leipzig gegangen. Ich hatte eine dörfliche Struktur gesucht und dann hier auch gefunden. Für mich sind diese Viertel – Plagwitz und Lindenau – eben auch mein Dorf.

Vor acht Jahren gab es hier ja auch noch viel Leerstand. Für mich war es wichtig, das es hier viel Grün gibt und auch, dass es so weiträumig ist. Wir sind dann hier gelandet, aber zunächst hatten wir uns für ein Hausprojekt in der Josephstraße interessiert.

Und jetzt, wo das alles saniert ist, seid ihr weggegangen?
Ja, wir sind in der Bauphase dazugestoßen und ich hätte mir nicht träumen lassen, dass die Dinge sich so entwickeln würden. Die Unterschiede zwischen Land- und Stadtszene waren einfach zu groß.

Meine Arbeit als Landwirt, meinen Beruf, empfinde ich auch als politische Arbeit.
Christopher Mann räuchert die Bienenstöcke ein, um die Bienen zu beruhigen.
Rauch suggeriert den Bienen einen Waldbrand, wodurch diese sich auf den bevorstehenden Auszug aus dem Bienenstock vorbereiten und den Bauch mit Honig vollschlagen, um diesen zu retten.
Christopher Mann räuchert die Bienenstöcke ein, um die Bienen zu beruhigen.
Diese nun honigschweren Bienen haben dann kurzfristig anderes im Sinn, als den Imker zu stechen. Kurz nach unserem Treffen hat Christopher dann aber doch von ihnen den »Arsch versohlt bekommen«, da er sich verspätete und sie ungehalten waren.

Was meinst du?
Na ja, ich dachte anfangs, die sind einfach alle links. Aber da bricht eine ganze Flut an Meinungen und Haltungen über einen ein, die teilweise völlig konträr zueinander sind. Man kann das einfach runterbrechen, bei uns auf dem Land war das ökologische Thema gesetzt und hier in der Stadt geht es um das soziale. Das wird dann auch hart gegeneinander ausgespielt. Alles muss immer durchgekaut und erörtert sein. Da werden Theorien vorgetragen, dass einem schwindelig wird.

Hast du konkrete Beispiele? Eigentlich würde man ja meinen, dass das Ökologische und Soziale gut zusammenpassen?
Eine Haltung war, dass sich Ökoprodukte nur reiche Schnösel leisten könnten und diese deshalb nicht vertretbar seien. Das ist besonders hart für mich, da ich meine Arbeit als Landwirt, meinen Beruf, auch als politische Arbeit empfinde. Ganz klar. Und ich gehe da ja auch mit all meiner Energie rein. Es ist dann schon bitter, wenn das von den Menschen innerhalb des eigenen Rückzugsraumes in Frage gestellt wird. Und ich habe auch keine Lust, mich immer wieder zu erklären oder mich dauernd zu rechtfertigen.

Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Christopher Mann kontroliert das Verhalten seiner Bienen.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Detailaufnahme einer Bienenwabe.
Christopher Mann kontrolliert den Zustand der Bienen.
Jede Störung sorgt für Stress innerhalb des Bienenvolks und kann dessen Entwicklung beeinflussen. Dennoch ist es notwendig, in regelmäßigen Abständen den Gesundheitszustand des Volkes zu kontrollieren.

Bist du Imker?
Ja, das ist mein Beruf. Ich habe Landwirt gelernt und hätte auch gern als solcher gearbeitet, aber ich hatte keinen Hof. Die Bienen waren früher eher ein Hobby für mich. Dass ich mich darauf spezialisiere und mich darauf konzentriere, war eigentlich nicht mein Plan. Es hat auch etwas gedauert, bis ich das akzeptiert habe.

Als wir nach Leipzig kamen dachte ich, dass wir nicht lange bleiben werden. Es war schon eine große Umstellung für mich, morgens aufzustehen, vor die Tür treten und auf dem Bürgersteig und damit ich öffentlichen Raum zu stehen. Anfangs dachte ich mich trifft der Schlag. Es gab ja noch nicht einmal einen Vorgarten.

Wie ländlich bist du denn groß geworden?
Gebürtig bin ich so aus dem Raum Erlangen / Nürnberg. Gelernt habe ich in Rheinhessen. Zuerst an der Lahn, dann in einem Nebental der Nahe.

Ich denke, dieser unmittelbare Kontakt zu Tieren fehlt mittlerweile in unserer Gesellschaft.

Und wenn du morgens durch die Haustür gegangen bist, dann warst Du nicht gleich in der Öffentlichkeit?
Überhaupt nicht. Ich finde das auch total gut. Ich empfinde es als sehr schön, erst einmal Tiere um sich herum zu haben und nicht Menschen. Tiere sind sehr direkt, aber viel pflegeleichter als Menschen. Man weiß schnell, woran man ist. Entweder du bist wach und es läuft oder du bist verschlafen und die Tiere machen was sie wollen. Ich denke, dieser unmittelbare Kontakt zu Tieren fehlt mittlerweile in unserer Gesellschaft. Wir sind ihn gar nicht mehr gewohnt, da sich alles nur noch um uns dreht. Wir werden gar nicht mehr mit etwas anderem konfrontiert.

Detailaufnahme einer Honigbiene.
Detailaufnahme eines Flugloch aus dem zahlreiche Bienen krabbeln.
Beim ersten Verlassen des Bienenstockes prägen sich Bienen die Lage ihres Flugloches genau ein, indem sie davor auf und ab fliegen. Nach einer Wanderung müssen sich auch die alten Flugbienen neu einfliegen. »Vorspiel« nennen die Imker dieses emsige Treiben, das am Morgen nach der Wanderung zu beobachten ist.

Und was ist mit Haustieren?
Mit diesen leben wir aus einer anderen Haltung heraus zusammen. Wir nehmen die Tiere nur noch aus einer Fürsorgeperspektive wahr, welche von uns verlangt, uns um sie zu kümmern. Aber dieses symbiotische Verhältnis, dass wir die Tiere genauso brauchen, wie sie uns brauchen, das nehmen wir gar nicht mehr wahr. Das ist nicht mehr in unserem Bewusstsein. Da denke ich, dass wir unsere Gesellschaft eigentlich so aufbauen müssten, dass es den Tieren auch gut geht. Wir ordnen uns gar nicht mehr ein.

Dass der Mensch sich über die Tiere stellt, das ist doch aber schon seit Jahrhunderten der Fall?
Das schon. Wenn ich Tiere halte, dann leite ich die Herde. Die Abhängigkeit ist aber gegeben. Wir haben lange Zeit gemeinsam mit den Tieren gelebt. Jetzt haben wir aufgehört.

Das bringt uns zu den Bienen, du hattest schon Bienen bevor du nach Leipzig kamst?
Ja.

Wie viele Völker sind es denn?
Ich habe damals zwei Völker übernommen, jetzt sind es ungefähr 70. Die ersten habe ich von meinem Großvater bekommen.

Er war auch schon Imker?
Er war Hobbyimker.

Detailaufnahme eines Stein zur Beschwerung des Bienenstocks.
Faustgroße Steine dienen als Beschwerung für das Dach des Bienenstockes.
Detailaufnahme einer Bienenwabe.
Eine Eigenproduktion eines Bienenvolks, die allerdings nicht benötigt wird.

Hast du viel von ihm gelernt?
Die Bienen haben mich früher nicht so interessiert. Ich war am Opa interessiert und nur deshalb dann auch an den Bienen. Als Mensch hat er mich sehr geprägt. Er hat als Schlosser und Elektriker gearbeitet, also nicht unbedingt grüne Berufe, aber er war sehr naturverbunden. Mit seinen Eltern kam er aus Tschechien nach Deutschland und hat wohl aus einer Art Heimweh und Liebe die Natur gesucht.

70 Völker sind doch schon recht viele, ich habe gelesen, dass die Imker in Deutschland im Schnitt neun Völker haben.
Da sind die Hobbyimker mit eingerechnet. Die haben meist nur drei Völker.

Ist das schwer die Bienen über den Winter zu bringen?
Ja mittlerweile gehört schon viel dazu. Ich weiß ja, wie mein Opa das früher gemacht hat. Das ist schon sehr viel Arbeit geworden.

Wie hat sich das zu früher verändert?
Es hat sich schon gewaltig verändert. Es gibt die Zeit vor der Milbe und die Zeit nach der Milbe. Diese kam vor ungefähr dreißig Jahren nach Deutschland. Seit etwa zehn, fünfzehn Jahren büssen die Bienen ihre Widerstandskraft immer mehr ein. Wir suchen nach den Gründen, warum unsere Völker immer schwächer werden und so leicht sterben.

Die Bienen haben einfach extrem ungünstige Lebensbedingungen, die sich in den letzten 70 Jahren immer weiter verschlechterten.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Detailaufnahme des Schwarmverhaltens eines Bienenvolks.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.

Woran liegt es?
Wir haben definitiv in Europa einen der aggressivsten Milbenstämme. In anderen Teilen der Welt ist die Milbe nicht so aggressiv wie hier. Was diesen Teil betrifft, haben wir wohl einfach Pech gehabt. Als Landwirt setze ich mich mit dem Thema schon lange auseinander und für mich ist es kein Wunder, dass es den Bienen so schlecht geht. Sie haben einfach extrem ungünstige Lebensbedingungen, die sich in den letzten 70 Jahren immer weiter verschlechterten. Und ich möchte auch behaupten, dass wir das als Gesellschaft eine bewusste Entscheidung getroffen haben.

Vor dem zweiten Weltkrieg gab es namhafte Wissenschaftler die darüber diskutierten, entweder weiterhin auf Bienen und Bestäubung zu vertrauen oder Pestizide einzusetzen. Die Gesellschaft hat sich damals für die Pestizide entschieden. Der Umsatz der Industrie- und Pharmaindustrie ist in Deutschland etwa zehnmal so hoch wie der Umsatz der Automobilindustrie. Wir alle wissen, welch starke Lobby bereits die Autoindustrie hat. Unsere Gesellschaft ist abhängig von diesem Industriezweig, der mitbestimmt, wie die Agrawirtschaft weltweit arbeitet. Und dagegen stehen ungefähr 300 Berufsimker als Gegenstimme. Man kann sich vorstellen, wie das abläuft.

Wir haben einen tollen, seit ungefähr sieben bis acht Jahren sehr aktiven Vorstand und das zeigt sich auch in der Berichterstattung in den Medien, die das Thema aufgreifen. Im Moment sind die Argumente einfach auf unserer Seite. Zum Beispiel wurde diese ganze Gentechnikwelle von der Imkerschaft aufgehalten. Aber das dreht sich auch gerade wieder zum Negativen. Auf EU-Ebene wurden einfach Gesetze verändert und wir müssen jetzt eine bittere Pille nach der anderen schlucken.

Es gibt den Deutschen Bauernverband, der komplett von der Industrie unterlaufen und übernommen wurde. Und der gleiche Scheiß ist auch bei den Bienen so.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.
Christopher Mann bei seiner Arbeit als Imker im Clara-Zetkin-Park in Leipzig.

Weil sie Argumente anführen? Oder weil sie die Lobbygelder einsetzen?
Das ist so perfide. Ich kenne das aus der Landwirtschaftspolitik. Es gibt den Deutschen Bauernverband, der komplett von der Industrie unterlaufen und übernommen wurde. Auch wenn sie sich offiziell Bauernverband nennen, agieren sie gegen die Interessen der Bauern, welche dann auch noch Pflichtabgaben zu entrichten haben. Politik wird dann offiziell im Namen der Bauern gemacht. Das ist total irre. Und der gleiche Scheiß ist auch bei den Bienen so. Hier bestimmt der Verband der honigverarbeitenden Industrie was die Imker sich wünschen.

Wir haben aber auch einen europäischen Verbund aus den Berufsimkerkreisen. Damit haben wir mittlerweile ein Organ, über das wir versuchen, unsere Interessen einzubringen. Aber das ist sehr schwer gegen den anderen Verband, der ja auch angeblich in unserem Interesse spricht.

Stimmt das Zitat von Einstein, dass wenn die Bienen sterben, vier Jahre später die Menschen sterben?
Das weiß ich nicht. Wir denken ja meist an die Honigbienen, aber das ist ja ein Fehler. Es gibt ja auch die ganzen anderen Wildinsekten, die dann noch nicht einmal eine Lobby haben. Und da wissen wir noch nicht einmal, was wir anrichten. In den letzten Jahren sehe ich die Landwirtschaft ja mehr aus der Bienenperspektive und da wird mir schon schwindelig. Diesen Blick hatte ich zuvor noch nicht. Ich hatte zwar selbst Bienen, aber in der Lehre habe ich fast nie etwas über Bienen gelernt. Weder von den Lehrmeistern, noch in der Schule. Niemand hat darüber gesprochen.

Was meinst du mit der Bienenperspektive?
Die Beschaffenheit der gesamten Kulturlandschaft. Wovon sie sich überhaupt ernähren sollen. Und das betrifft dann nicht nur die Insekten sondern auch die kleinen Bodenlebewesen und dann die ganze daran hängende Nahrungskette. Wir fabrizieren derbe Agrarwüsten.

Es gibt viele Landstriche, wo die Bienen einfach nicht überleben können. Auf einem Großteil der uns umgebenden Flächen würden sie einfach verhungern.
In der Werkstatt des Imkers Chrstopher Mann in Leipzig Lindenau.
In der Werkstatt des Imkers Chrstopher Mann in Leipzig Lindenau.
Christopher Mann und Ondrej Kielar bei der Erstellung von Rahmen.
In der Werkstatt des Imkers Chrstopher Mann in Leipzig Lindenau.
In der Werkstatt des Imkers Chrstopher Mann in Leipzig Lindenau.
Ondrej Kielar arbeitet zur Zeit als Praktikant bei Christopher und unterstützt ihn bei der täglichen Arbeit.

Das ist gerade jetzt im Frühjahr gut zu erkennen. Wenn man über das Land fährt, sieht man überall nur Gelb. Überall sind riesige Rapswüsten.
Ja, das sind ganz saubere Bestände. Das haben wir ja so gelernt. Du kriegst ein gutes Gefühl, wenn du als Landwirt durch so einen Bestand gehst. Aber man macht sich zu selten bewusst, was das für die Tiere bedeutet, bedeuten muss. Sie verhungern.

Und es gibt auch viele Landstriche, wo die Bienen einfach nicht überleben können. Hier in Leipzig und auch in Brandenburg gibt es immer wieder ein paar Inseln, die dann so etwas wie Oasen für die Bienen sind. Aber auf einem Großteil der uns umgebenden Flächen würden sie einfach verhungern. Sie könnten nicht überleben ohne den Menschen.

Die Konsequenz die sich daraus ergibt ist ungeheuer brutal. Ein Bienenvolk kurbelt im Frühjahr seinen Stoffwechsel an und ist auf Trachten eingestellt. Nach der Rapsblüte fällt die gesamte Ernährungsgrundlage weg und bis zum Winter kommt nichts mehr nach. Ihr müsst mal schauen, was dann in so einem Volk los ist. Das kracht einfach in sich zusammen. Es ist so, als ob Du mitten im Training für einen Marathonlauf stehst und plötzlich nehmen sie dir das Essen weg.

Wie lange reicht denn zum Beispiel ein großer Lindenbaum?
Das ist ein spannendes Terrain. Da begeben wir uns auch auf ein ungewisses Gebiet. In den nächsten Jahren ist das sicherlich ein Thema für die Imkerschaft. Es hängt sehr von der Tracht ab, wie viel die Pflanze anbietet. Jetzt gegen Ende April ist gerade die reiche Zeit. Da kannst du sehr viele Völker auf einem Stand haben, die dann Honig bringen. Es ist eine sehr interessante Frage, unter welchen Umständen sich Bienen wohlfühlen. Den Bienen verursacht es auch eine Art Stress, wenn sich zu viele Völker zu eng an einem Ort befinden. Das ist ja auch nicht so von der Natur gewollt. Ich denke das wird noch spannend werden. Wir werden uns mit dem Thema noch intensiv beschäftigen müssen, wenn wir es mit der Tierfreundlichkeit Ernst meinen. Einige Imkereien beginnen gerade mit Massentierhaltung. Ganz klar wird das propagiert.

Die Vorzeigebetriebe sind meist familiengeführte Betriebe, mit einem Betriebsleiter, der etwas von seinem Fach versteht.
Christopher Mann in seiner Werkstatt in Leipzig Lindenau.
Christopher Mann in seiner Werkstatt in Leipzig Lindenau.

Von welchem Verband?
Von Betriebsberatern, die also aus rein wirtschaftlicher Sicht argumentieren. Ob du jetzt 200 oder 600 Völker hältst, die Grundkosten ändern sich nicht so sehr. Da steckt ein rein betriebswirtschaftlicher Gedanke dahinter. Es ist immer der gleiche Argumentationsstrang, der aber nichts mit der Realität zu tun hat, wie ich sie erlebe. Ich sehe nicht, dass ein Betrieb besser wird, je stärker er wächst. Die Vorzeigebetriebe sind meist familiengeführte Betriebe, mit einem Betriebsleiter, der etwas von seinem Fach versteht. Nicht die Riesenbetriebe, die auf Wachstum ausgelegt sind. Das macht die Betriebe nicht zwingend wirtschaftlich, sondern drängt uns immer mehr in naturferne Systeme hinein. Das kann langfristig nicht funktionieren. Das kann nicht die Zukunft sein. Dann fahren wir das Ding gegen die Wand.

Hattest du schon mehr als deine zwei ersten Bienenstöcke als du nach Leipzig kamst?
Als landwirtschaftlicher Lehrling verdient man ja nichts. Also habe ich schon immer nebenbei ein wenig Honig verkauft. Ich habe es versucht. Aber ich bin nicht unbedingt ein Vermarktungsstratege.

Aber deinen Honig, den gibt es ja schon eine Weile?
Ich hatte auch ziemlich Glück, dass das so geklappt hat. Als wir uns für Leipzig entschieden haben, da habe ich sogar einmal die Marktlage abgeklärt. Ich kann den Honig nicht immer über einen Marktstand verkaufen. Viermal im Jahr einen Stand auf dem Westbesuch zu haben ist gut. Dass mache ich dann auch richtig gerne. Aber ich könnte das nicht wöchentlich. Daher hatte ich Glück, dass es noch keinen regionalen Honiganbieter in den Bioläden gab.

Im Bioladen in der Könneritzstraße gibt es Honig vom Störmthaler See.
Das ist richtig. Da ist der Honig von Stefan. Er ist der Besitzer des Bioladen und der Imker.

Man hat herausgefunden, dass die Tiere mehr Leistung geben wenn es ihnen gut geht.
Christopher Mann in Leipzig Lindenau.
Christopher lebt und arbeitet auf einem Gelände in der Nähe der Baumwollspinnerei, direkt am Karl-Heine Kanal.
Detailaufnahme einer Schleuder.
Nach dem Schleudern wird der Honig im Rührwerk mit feinen Honigkristallen beimpft und gerührt um ihn streichfähig zu machen.

Muss man das anmelden, wenn man seine Bienenstände aufstellen will? Ist es teuer, die Körbe in der Stadt aufzustellen? Mietest du Flächen?
Das geht alles. Du meldest deine Bienen beim Veterinäramt an, wegen der Tierseuchenverordnung. Und dann wendest du dich an die Eigentümer der Standflächen. Da gibt es natürlich verschiedene Ämter und verschiedene Abteilungen, das ist sehr unterschiedlich. Mit dem Grünflächenamt gibt es eigentlich nie Probleme. Das hat ja auch Tradition hier in Leipzig. Das ist toll. Das ist auch nicht zu teuer.

Finden die Leute es gut, dass du deine Stöcke aufstellst?
Die meisten mögen das. Bislang hat noch niemand die Nase gerümpft oder mich beschimpft.

Macht es den Bienen etwas aus, wenn du sie verfrachtest? Oder ist es ihnen egal?
Das ist ja mein tägliches Brot als Wanderimker, deshalb redet eigentlich niemand darüber. Das Gebiet ist auch noch nicht so recht erforscht. Aber ich bin mir sicher, dass es den Bienen etwas ausmacht. Ich habe ja den Vergleich zu den anderen Tierarten. Es gibt den schönen Begriff Kuhkomfort. Man hat herausgefunden, dass die Tiere mehr Leistung geben wenn es ihnen gut geht. Das ist in der Tierhaltung ganz wichtig. Im Vergleich zu früher sind die Ställe inzwischen auch sehr schön geworden. Bei den Bienen steht uns diese Revolution noch bevor, denn wir wissen noch nicht so genau, welcher Stall und welche Betriebsweise ihnen das beste Umfeld bietet.

Im Frühjahr brauchen unsere Bienenvölker einige Wochen, um auf Ertragsstärke heranzuwachsen. Von da an versuchen wir ihnen durchgängig eine Tracht zu bieten. In vielen Gegenden bedeutet das häufige Wanderungen, immer den Blüten hinterher. Für die Bienen ist das Stress. Sie reagieren empfindlich auf die Erschütterungen und in ihrer Nervosität erzeugen sie Wärme. In ihrem Brutnest haben Bienen ein sehr konstantes Klima. Die Temperaturschwankungen während des Transportes führen zu Brutschäden. Im Moment wandere ich daher nur noch auf kurzen Strecken und bei guter Belüftung. Leider wissen wir noch viel zu wenig über das Brutklima und welche Folgen bestimmte Umstände haben.

Wenn man mit den Bienen wandert, dann muss man immer aus dem Flugradius herausgehen. Man muss die Kästen schon richtig versetzen. Wenn eine Biene neu aus dem Stock herausgeht, dann fliegt sie vor dem Flugloch hin und her und prägt sich die neue Umgebung ein. Sie fliegt sich auf ihren Standort ein. Sie hätte keine Möglichkeit zurück zu finden, wenn du den Stock um ein paar Meter versetzt. Vielleicht kannst du den Stock um einen halben Meter versetzen und für sehr viel Verwirrung sorgen. Das ginge vielleicht noch. Der Flugradius erstreckt sich auf ungefähr drei Kilometer. Wenn das Volk gestört wurde, dann sterzeln die Bienen am Flugloch und sorgen dafür, dass Duftstoffe in die Luft gelangen, wodurch das Flugloch leichter gefunden werden kann.

Wenn die Bienen ausgeflogen sind, werden die Wabenrähmchen herausgenommen …
Wenn die Bienen ausgeflogen sind, werden die Wabenrähmchen herausgenommen …
… die Verdeckelung der Bienen aufgeschnitten und in Rahmen in die Honigschleuder gesteckt.
… die Verdeckelung der Bienen aufgeschnitten und in Rahmen in die Honigschleuder gesteckt.
Ondrej Kielar bei der Arbeit in der Werkstatt von Christopher Mann.
Dank der Schwerkraft läuft der Honig in den darunter liegenden Container, so dass er später nur noch gefiltert und abgefüllt werden muss.
Dank der Schwerkraft läuft der Honig in den darunter liegenden Container …
Dank der Schwerkraft läuft der Honig in den darunter liegenden Container, so dass er später nur noch gefiltert und abgefüllt werden muss.
… so dass er später nur noch gefiltert und abgefüllt werden muss.
In der Werkstatt des Imkers Christopher Mann in Leipzig Lindenau.
Im Inneren eines Lagerraums, in dem grpße Metallfässer aufbewahrt werden.
Ein Bauwagen auf dem Wagengelände in Leipzig Plagwitz.

Die Bienen haben ein sehr positives Image, obwohl sie stechen können. Der Honig gleicht das alles wieder aus, oder?
Ja, das ist tatsächlich so. Und die Leute freuen sich eben doch den Arsch ab, wenn sie einmal Tiere sehen. Wenn man hier in Leipzig einen Bauernhof hätte und Schulklassen dorthin kommen könnten, das wäre schon toll. Es hat ja keiner mehr auf dem Zettel, unter welchen Umständen unsere Lebensmittel produziert werden. Das es Leute sind, die 60, 70, 80 Stunden in der Woche arbeiten und dafür einen Hungerlohn bekommen. Das macht sich kaum einer bewusst.

Ich habe etwas Skurriles gehört. Ein Stock produziert ja immer mehrere Königinnen. Die Königin, die als erstes schlüpft, sticht die anderen ab. Aber manchmal lassen sie eine zweite Königin heranreifen, damit der Stamm schwärmen kann. Ich habe gelesen, dass sie dann so ein Geräusch machen. Gibt es das? Hast du das schon gehört?
Ja, sie sitzen in ihren Zellen und tuten vor sich hin. Das kann man hören. Es ist wie ein Trompetenton. Darüber finden sie sich auch.

Unsere Felder und Wälder haben uns früher komplett ernährt, gekleidet und auch das Brennmaterial geliefert, um zu kochen, zu heizen und Maschinen anzutreiben.

Den Honig, den wir dann essen, ist das der Honig, von dem sich die Bienen ansonsten über den Winter hinweg ernähren würden?
Nein, das ist zu einfach gedacht. Der wäre schon vor dem Winter in Brut umgewandelt worden. Wir haben momentan ein Trachtlückenproblem, uns fehlen die Blühpflanzen. Man muss sich das einmal konkret vorstellen. Unsere Felder und Wälder haben uns früher komplett ernährt, gekleidet und auch das Brennmaterial geliefert, um zu kochen, zu heizen und Maschinen anzutreiben. Damals haben wir nicht nur Getreide und Raps angebaut. Und heute kommen sie sozusagen neu auf die Idee, dass wir doch unsere Energie auch auf den Feldern anbauen könnten, weil wir uns doch jetzt schon so weit entwickelt haben.

Das haben wir alles schon früher gemacht. Und wir hatten früher eine sehr vielfältige Kulturfolge. In den Kulturen standen jede Menge Blühpflanzen. Unsere Wiesen haben wir zum Weiden genutzt, haben die spät gemäht und Heu daraus gemacht. Das Grünland war früher bunt. Heute ist es einfach nur traurig.

Was waren das für Beikräuter? Sind diese extra gepflanzt worden?
Nein, sie hätten sie damals schon gern entfernt, aber sie haben sie eben nicht komplett wegbekommen. Tatsächlich haben sich die Leute auch darüber gefreut. Das kannst du auch in alter Literatur nachlesen. Die Menschen haben die Tiere im engen Kreis um sich gemocht und gerne gehabt. Sie haben die blühenden Felder genossen. Die Landschaften waren wunderschön, mit dem Mohn und den Kornblumen.

Das ist ja heutzutage alles mechanisiert. Wenn die Blüten noch nicht abgereift sind, aber das Getreide schon, dann kann es zur Schimmelbildung kommen. Das wollte man vermeiden und so wurde im Laufe der Jahre alles immer sauberer.

Man könnte aber unterschiedliche Pflanzenarten gemeinsam auf dem selben Acker anbauen, wenn sie gleichzeitig abreifen. Bei der anschließenden Getreidereinigung kann man die Sachen dann wieder trennen. Das klappt eigentlich gut. Es gibt in Bayern ein paar Einzellandwirte, die eine Eiweißinitiative gegründet haben und aus eigener Tasche daran forschen. Nach dem Krieg haben wir aufgehört, eiweißhaltige Pflanzen anzubauen. Wir haben die Stickstoffsammler aus der Fruchtfolge herausgenommen.

Die ganze landwirtschaftliche Industrie wird geprägt von Akademikern, die eigentlich klug genug sein sollten, nicht solch bescheuerte Grundfehler zu begehen.
Christopher Mann an seinem Stand während des Westbesuchs auf der Karl Heine Straße.
Christopher Mann an seinem Stand während des Westbesuchs auf der Karl Heine Straße.
Honigpyramide am Stand von Christopher Mann während des Westbesuchs auf der Karl Heine Straße.
Viermal im Jahr während des Westbesuchs auf der Karl-Heine Straße bietet Christopher seinen Honig an einem eigenen Stand an.

Man könnte glauben, der Mensch sei vollständig bescheuert und blöde. Die ganze landwirtschaftliche Industrie wird geprägt von Akademikern, die eigentlich klug genug sein sollten, nicht solch bescheuerte Grundfehler zu begehen. Wie kann man denn eine bodenverbessernde Landwirtschaft machen und die entsprechenden Pflanzen einfach nicht mit anbauen? Wie soll denn das funktionieren?

Mit Liebig kam die Erkenntnis auf, eine Pflanze brauche die und die Nährstoffe. Die nimmt man dann in Einzelteilen heraus und keiner denkt daran, dass dies so nicht funktionieren kann. Das ist weder für die Pflanze noch für den Boden gut. Aber daran forscht niemand, da man hiermit kein Geld verdienen kann. Dann ist das Gemüse eben nicht mehr nahrhaft und haltbar.

Sogar im Grundgesetz ist verankert, dass wir die Böden nicht degradieren dürfen. Es steht geschrieben, dass wir die Böden im gleichen oder besseren Zustand an die nächste Generation zu übergeben haben. Aber die gesamte Landwirtschaft baut auf diese Degradation auf. Wir begehen eigentlich permanent einen Verfassungsbruch.

Bemerkst du auch, dass es immer mehr Autos gibt in den Stadtteilen hier? Wirkt sich das auf die Bienen aus?
Ja, ich merke das. Es wurde schon vor Jahren damit begonnen, den Feinstaub zu messen. Man stellte Bienen in die Flugschneisen weil man hoffte, Ablagerungen im Honig feststellen zu können. Sie haben jedoch nichts gefunden. Das hat sie verwundert. Also sind die auf die Idee gekommen, den Totenfall der Bienen vor den Fluglöchern zu kontrollieren. Im Körper der toten Bienen konnten sie dann die Schadstoffe messen. Sozusagen sind es gute Nachrichten für den Verbraucher. Die Bienen geben die Schadstoffe nicht an den Honig ab. Sie werden jedoch kurzlebiger.

Wir haben also die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wobei es die Bienen in der Stadt noch gut haben. Man bemerkt ja auch, dass sich viele Tiere in den Auengürtel zurückziehen. Die Pflanzenvielfalt ist in der Stadt auch viel größer als draußen auf dem Land. Darüber sollte man sich dringend Gedanken machen. Es sind nicht die Städte, die plötzlich so wahnsinnig toll geworden sind. Die Lebensbedingungen auf dem Land werden für die Tiere einfach immer unerträglicher.

Dieses Leben soll nicht zum Selbstzweck sein, ich will nicht, dass es umsonst ist.
Christopher Mann an seinem Stand während des Westbesuchs auf der Karl Heine Straße.

Ich schätze, dass man als Imker nicht unbedingt viel Geld verdient. Aber dennoch bist Du bereit, in deine Arbeit zu investieren. Auf was möchtest du nicht verzichten?
Um Geld habe ich mir noch nie sehr viele Gedanken gemacht. Bislang ging das auch. Es geht eigentlich gut mit wenig Geld klarzukommen. Die Arbeit ist wichtig für mein Leben. Wir fahren quasi nie in Urlaub, aber das ist nicht das worauf ich hinlebe. Dieses Leben soll nicht zum Selbstzweck sein, ich will nicht, dass es umsonst ist.

Du siehst die Imkerei als einen Lebensentwurf?
Ja, ich versuche das zu machen, was ich für richtig halte. Ich versuche nicht die Scherben der Gesellschaft aufzuheben, das wäre zu frustrierend, aber mir ist es wichtig, mit meiner landwirtschaftlichen Arbeit einen Anteil zu geben. Ich glaube an das was ich tue.